Das erste Gebot
Sie sind einige Tausend Jahre alt – und gleichzeitig topaktuell. Die Zehn Gebote haben ihren Wert und ihre Bedeutung nicht verloren. Sie sind Anleitung zum Leben und Grundlage von Moral und Ethik. Werteordnungen in aller Welt basieren auf der göttlichen Offenbarung vom Berg Sinai. Aber wenn es um die Umsetzung der Leitlinien im täglichen Leben geht, tun sich viele Menschen schwer.
Das erste Gebot lautet:
«Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.»
Dieses Gebot ist Ausgangspunkt und Ziel aller Gebote in der Bibel, zugleich aber auch das am stärksten missachtete. Schliesslich ist jeder Anspruch auf Exklusivität verdächtig. Wenn es stimmt, dann gibt es keine Gleichgültigkeit von Religionen, nicht einmal eine Gleichwertigkeit. Natürlich sollen wir nun nicht zu christlichen Glaubenskämpfern mutieren und das Gespräch mit denen beenden, die an einen anderen Gott glauben. Aber die Beliebigkeit von Glaubensinhalten kann ebenso wenig richtig sein.
Einer an der Spitze
Gott – das ist letztlich das, was mir am Wichtigsten ist. Und an der Spitze einer Werteordnung kann immer nur einer stehen. Letztlich geht es immer um die alte Frage aus dem Paradies: Gott (und seine guten Gebote, die zum Leben führen) oder ich (und meine Vorstellungen, Wünsche und Lüste, die den Tod nach sich ziehen)? Wohin wir kommen, wenn wir uns selbst an die erste Stelle setzen, können wir in unserer Gesellschaft sehen. Deshalb ist das erste Gebot geradezu ein Ruf zur Umkehr an unsere Gesellschaft und uns selbst – eine Umkehr zum Leben!
Gott an die erste Stelle zu setzen, das hat ganz verschiedene Konsequenzen. Es bedeutet zum einen, sein Wort, die Bibel, wieder neu ernst zu nehmen und in unseren Alltag hinein zu übersetzen. Dann bedeutet es, das eigene Leben nach diesen Massstäben Gottes zu leben. Dabei ist wichtig, dass Gott sich nicht nur blinden Gehorsam wünscht, sondern Liebe. Diese Liebe sollte uns antreiben. Dann folgt auch automatisch der nächste Schritt, dass wir nämlich unseren Nächsten so sehr lieben wie uns selbst.
Das zweite Gebot
Das zweite Gebot lautet:
«Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen»
Dieses Gebot macht deutlich, dass die Wirklichkeit Gottes alle unsere Bilder und Vorstellungen bei Weitem übersteigt.
Eine tragische Ironie
Unglaublich: Genau während Gott Mose das zweite Gebot gab, tat das Volk das, was dieses Gebot untersagte. Das zweite Buch Mose berichtet davon, wie die Israeliten zu zweifeln begannen, ob Mose jemals wieder vom Berg herabkommen würde, um sie weiter zu führen. Deshalb beschlossen die Menschen, sich «einen Gott zu schaffen», der vor ihnen her gehen konnte. Aaron, der in Moses Abwesenheit ihr Anführer war, sammelte Goldschmuck aus dem Volk, schmolz ihn ein und goss ihn in die Form eines goldenen Kalbes. Dann errichtete er einen Altar davor und erklärte: «Morgen feiern wir ein Fest für den Herrn!»
(2. Mose, Kapitel 32, Vers 5)
Warum das Götzenbild?
Ein Kommentator schreibt: «Wie Kinder wollten sie [die Israeliten] etwas haben, das ihre Sinne ansprach… ein sichtbares, greifbares Objekt als Symbol der göttlichen Gegenwart.» Aber Gott war gekränkt. So gekränkt sogar, dass nur das Gnadengesuch Moses ihn darin hinderte, das gesamte Volk zu vernichten.
Warum der Zorn?
Warum war Gott so wütend? Weil er wusste, dass ein Kalb – oder jedes andere greifbare Symbol – nur einen winzigen Bruchteil seines wahren Wesens darstellen konnte. Ja, das Kalb stand für Gottes Macht; aber was war mit seiner Heiligkeit, seiner Majestät, seiner Liebe?
Die Israeliten wollten mit dem Kalb zwar den wahren Gott abbilden, der sie aus Ägypten befreit hatte, doch sie machten den Fehler, dass sie sich an ein Abbild klammern wollten. Und alle Abbilder können nicht die Fülle von Gottes Wesen wiedergeben.
Keine billige Kopie, bitte!
Es kann auch uns im 21. Jahrhundert schnell passieren, dass wir uns an ein billiges Abbild von Gott klammern. Gott will nicht, dass wir ihn mit einfachen Dogmen begrenzen und ein statisches Bild von ihm machen, in das wir alle Facetten seines Wesens reinpacken.
Sehr bildhaft beschreibt Willow-Creek-Pastor Bill Hybels dieses unmögliche Unterfangen, Gott mit unserem Verstand zu erfassen: «Wir könnten niemals etwas formen, malen oder schnitzen, das eine angemessene Darstellung dessen sein könnte, wie Gott ist. Würden wir dies versuchen, dann wäre das so, als wollte man einen Wissenschaftler dazu bringen, die Geschichte der Welt in einen Satz zusammenzufassen, oder einen Bildhauer, aus einem einzigen Sandkorn eine Kopie vom Mount Rushmore herzustellen, oder einen Musiker, Beethovens fünfte Sinfonie auf einer Schiedsrichterpfeife zu spielen. Es ist einfach unmöglich. Und es wäre absurd, das auch nur vorzuschlagen.»
Substanz statt Schatten
Anstatt uns mit billigen Kopien (absolute Dogmen, Schemen, Glaubensbekenntnisse, Traditionen, usw.) abzugeben, sollten wir uns lieber auf die Substanz des christlichen Glaubens konzentrieren. Wir alle müssen begreifen, dass wir, wenn wir unsere Sünden bereuen und Jesus Christus nachfolgen, eine Beziehung zu einem lebendigen Gott haben, den wir überall und jederzeit anbeten, aber nie vollständig verstehen können.
Das dritte Gebot
Das dritte Gebot lautet:
«Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen.»
Den Namen Gottes nicht zu missbrauchen bedeutet auch, ihn in Schwierigkeiten anzurufen
Unter den Zehn Geboten fristet das dritte ein Schattendasein. Bereits im alten Israel scheint das so gewesen zu sein. Sonst hätte die beigefügte Warnung wohl kaum seine Wichtigkeit derart bekräftigt: «Der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.» – Offensichtlich gab es Menschen, die dieses Gebot übertreten haben, ohne sich dessen bewusst zu sein. Was aber ist mit dem Missbrauch von Gottes Namen gemeint?
Gott in Schwierigkeiten anrufen
Martin Luther legte das Gebot in seinem Kleinen Katechismus eindrucksvoll aus: «Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir bei seinem Namen nicht fluchen, schwören, zaubern, lügen oder trügen, sondern denselben in allen Nöten anrufen, beten, loben und danken.» Es reicht also nicht, nur aufzuhören, mit Gottes Namen zu fluchen oder unter Berufung auf Gott einen Meineid zu leisten. Es genügt nicht, Gott nur einen guten Mann sein zu lassen. Erst wenn ein Mensch anfängt, den Namen Gottes in positiver Weise zu gebrauchen, erfüllt sich dieses Gebot. Denn es ermutigt, ja befiehlt sogar, Gott in den Schwierigkeiten des Alltags anzurufen, zu ihm zu beten, ihn zu loben und ihm zu danken.
Gott als Schöpfer liebt das Leben. Es ist ihm deswegen keine Last, sondern Freude, uns zu helfen. Entsprechend betet der Psalmist: «Mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst» (Die Bibel, Psalm 13). Gottes Wesen und Name zeigen sich gerade darin, dass er auf diese Bitte um Hilfe grosszügig antwortet. Uns bleibt dann nur der Dank, dass er so grosszügig geholfen hat. So erfüllt sich das dritte Gebot.
Das vierte Gebot
Das vierte Gebot lautet:
«Du sollst den Sabbat heiligen.»
Leben ist Rhythmus! Im permanenten Wechsel des Gegensätzlichen wird der Mensch in die Lage versetzt, sein Leben positiv gestalten zu können. Doch im Zeitalter ständiger Beschleunigung zieht das Leben wie im Zeitraffer an uns vorbei. Ein Termin jagt den nächsten. Und in der Gegenwart sich überstürzender Ereignisse sind Phasen der Stille und Entspannung nicht mehr vorgesehen.
Auf Ausgleich angewiesen
Zwar braucht der Mensch ein gesundes Mass an Stress zur Antriebsförderung und Leistungssteigerung, in gleichem Masse ist er aber aufgrund seiner rhythmischen Grundprägung auf wirksamen Ausgleich angewiesen. Von Gott her heisst es deswegen: »Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten aber ruhen.» Dahinter verbirgt sich der von Gott aufgestellte Gedanke, dass der in Körper, Seele und Geist ausgeruhte und gestärkte Mensch zufriedener, sicherer und motivierter wieder in den Alltag geht.
Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten aber ruhen.Deshalb erinnert das Gebot daran, den Sabbat (bei uns Sonntag) als Ruhetag zu würdigen, ihn bewusst über den Alltag zu stellen. Denn Feiertage, Zeremonien oder Rituale sind eben mehr als nur äusserliches Beiwerk, sie sind Oasen mit grossem Gewinn für unseren gesamten Organismus.
Zu unserem eigenen Wohl
So gesehen ist der von Gott in uns hineingelegte Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung der eigentliche Gesundheitsturbo des Menschen. Auch das Buch Prediger in der Bibel beschreibt diesen wohltuenden Rhythmus: «Alles im Leben hat seine Zeit». Gottes Gebot ist daher ein gutgemeinter Imperativ zu unserem eigenen Wohl und zugleich Einladung, in der Ruhe dem Schöpfer dafür zu danken.
Das fünfte Gebot
Das vierte Gebot lautet:
«Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.»
Als einzigem unter den Zehn Geboten ist dem vierten eine Verheissung angefügt, eigentlich sogar zwei: Wer die Eltern ehrt, wird lange leben und es wird ihm gut gehen.
Hinhören, Achtgeben, Folgen
Das Gebot nennt nicht nur zwei Versprechungen, es richtet sich auch an zwei Gruppen von Kindern. Zunächst an diejenigen, die noch im Elternhaus leben. Ihnen gibt in Bezug auf das Gebot der Apostel Paulus die für die heutige Zeit sehr herausfordernde Anweisung (Epheser Kapitel 6, Verse 1–3) mit auf den Weg: «Seid gehorsam euren Eltern in dem Herrn», was nach griechischer Überlieferung das Hinhören, Achtgeben und Folgen miteinschliesst.
Anschliessend weist er die Väter an, ihre Kinder dabei nicht zum Zorn zu reizen. Denn auch elterliche Ansprüche und Forderungen haben Grenzen. So sagte eine unserer Töchter einmal: „Uns Kindern fällt es leichter, unsere Eltern zu ehren, wenn wir von ihnen Zuspruch und Ermutigung bekommen.“
Erwachsene Kinder
Erwachsene Kinder, die vielleicht sogar verheiratet sind, stellen die zweite Gruppe dar. Doch wie kann bei ihnen das Ehren der Eltern gelingen, wenn sie aufgefordert sind, ihre Eltern zu verlassen (Die Bibel, 1.Mose, Kapitel 2, Verse 24)? Vielen scheint dieser Spannungsbogen unmöglich, sowohl Eltern wie Kindern. Hilfreich ist dabei jedoch das Wort «ehren» zu verstehen, was bedeutet «herrlich machen» oder «einen hohen Wert beimessen». Es geht also um eine wertschätzende Haltung und Achtung. Für heranwachsende Kinder drückt sich diese Haltung im Gehorsam aus und bei Erwachsenen darin, dass die alternden Eltern nicht einfach links liegen gelassen werden.
Das sechste Gebot
Das sechste Gebot lautet:
«Du sollst nicht töten.»
Wie verbindlich ist heute noch das biblische Gebot, nicht zu töten? Als ehemaliger Polizist und heutiger Rechtslehrer für Polizeikommissare hat dieses Gebot für mich nach wie vor eine zentrale Bedeutung. Es ist eines unserer Ausbildungsziele, den Studenten näher zu bringen, auf welche Weise sie als Sicherheitsprofis das Leben ihrer Mitbürger am effektivsten schützen können, ohne ihr eigenes dabei zu verlieren.
Christliche Wertmassstäbe
Wäre die Welt allerdings besser als sie wirklich ist, müssten Polizeibeamte nicht täglich ihr Leben für ihre Mitmenschen riskieren. Das Leben wäre für beide Seiten ruhiger. Weil dem aber nicht so ist, treten ethische und politische Fragen in den Vordergrund. Das deutsche Grundgesetz ist als oberster Normenkatalog unseres Rechtsstaates durchdrungen von christlichen Wertmassstäben, und Artikel 2 Absatz 2 soll speziell das Leben und die körperliche Unversehrtheit schützen. Grundrechte sind wiederum der Massstab für alle weiteren Gesetze und Verordnungen.
Die gelebte Rechtsrealität zeigt, dass es dem Staat nicht vollends gelingt, das höchste Gut effektiv zu schützen. Diese Lücken im Schutzsystem können nicht vom Staat, sondern nur von einer aktiven Zivilgesellschaft gefüllt werden, wenn, ja wenn es uns allen gelingt, dem biblischen Gebot zur Ehrfurcht vor dem Leben wieder mehr Nachdruck zu verleihen. Dann wäre es möglich, wachsamer und mutiger zu sein, um kleine Kinder und andere potenzielle Opfer besser vor Gewalttaten zu schützen, als es in der jüngeren Vergangenheit möglich war.
Das siebte Gebot
Das siebte Gebot lautet:
«Du sollst nicht ehebrechen.»
In der Bibel ist Sexualität nicht eine Frage der Moral, sondern ein Wesensmerkmal des Menschen als Mann und Frau. Für Sexualfeindlichkeit ist in Gottes Wort kein Platz.
«Du wirst nicht …»
Die Gebote darin sollten auch nicht nur als «Du sollst nicht…»-Worte verstanden werden. Mit dieser einseitigen Betonung sind sie nicht verfasst, aber manchmal missverstanden und missbraucht worden.
Nach dem hebräischen Grundtext können die Worte gleichzeitig auch mit «Du wirst nicht…» übersetzt werden. Das heisst: Wenn ich erahne, dass das Wesentliche im Leben immer ein Geschenk ist, dann werde ich nicht mehr so verantwortungslos mit mir selber, mit anderen, meiner Sexualität, meinem Partner etc. umgehen.
Darin erschliesst sich das siebte Gebot als sinnvoller Rahmen für gelingende und erfüllende Beziehungen: Weil ich mich dir im Intimsten anvertraue, kann und will ich sicher gehen, dass du mich nicht gleich wieder verletzen und/oder verlassen wirst. Denn bei aller sexuellen Freizügigkeit gehört Treue nach wie vor zu den höchsten menschlichen Werten. Und an dieser Treue schuldig zu werden, ist nirgendwo leichter als in der Liebe und nirgendwo verheerender als im Intimsten.
Sicherer Rahmen
Daher: Weil Gott mich liebt und ich aus dieser Beziehung heraus lebe, «werde ich nicht die Ehe brechen». Aus einem Gebot wird ein sicherer Rahmen für Beziehungen. In der göttlichen Liebe ist sogar das Scheitern an diesem (Ehe-)Ideal mit einbezogen: Die biblischen Geschichten sind voll mit Brüchen, die zeigen, dass es schwierig ist, Ideale einzuhalten. Die frohe Botschaft dazu: Gott schätzt die Sünder und nicht die, die sich für vollkommen halten.
Das achte Gebot
Das achte Gebot lautet:
«Du sollst nicht stehlen.»
Es gibt wohl kaum jemanden, dem nicht schon mal etwas gestohlen wurde. Auch keinen, der nicht schon mal selbst gestohlen hat.
Ich bin dankbar, dass mir meine Mutter schon mit fünf Jahren das Stehlen verleidet hat. Nach einem Einkauf, auf dem ich sie begleitete, fand sie in meiner Tasche Bonbons, die ich in einem unbewachten Augenblick hatte «mitgehen» lassen.
Freies Leben
Bis heute weiss ich noch, wie gedemütigt ich mich fühlte, als ich mit meiner Mutter zurück in den Laden gehen, mich entschuldigen und die Bonbons wieder hinlegen musste – dorthin von wo ich sie genommen hatte. Eine Lektion ihresgleichen, so dass ich später nie wieder in eine solche Lage kommen wollte. Gottes Gebot ist daher, wie alle anderen, eine Hilfe für uns Menschen, ein von Gewissensbissen freies und frohes Leben zu führen.
Stehlen zerstört Gemeinschaft
Stehlen bedeutet zwar augenblickliche Erfüllung eines Wunsches oder Begehrens, aber auf lange Sicht zerstört es die Gemeinschaft mit Menschen und mit Gott. In der Seelsorge habe ich erlebt, wie beichtenden Menschen Dinge aus der Kindheit einfielen, die eigentlich belanglos erschienen, die aber der Heilige Geist ihnen als Sünde, die es zu bekennen galt, vor Augen stellte.
Vor Gott sind alle Sünden gleich schwer, ob es nun ein gestohlenes Auto oder ein Schraubenschlüssel oder Briefmarken von der Arbeitsstelle sind. Sicherheitsschlösser und verrammelte Fenster wären unnötig, wenn Menschen zurück zu den guten Geboten Gottes finden würden. Vielleicht haben Sie auch noch irgendwo ein «geliehenes» Buch stehen?
Das neunte Gebot
Das neunte Gebot lautet:
«Du sollst nicht falsch Zeugnis reden.»
Das neunte Gebot markiert eine Grenze, die wir oft, zuweilen ganz bewusst und mit innerer Genugtuung, überschreiten. Wir reden über andere und wir lieben es, über andere zu reden. Zugegeben, nicht alle von uns, aber doch die meisten.
Schnelle Zunge
Und was reden wir über den anderen? Mit Lob und Anerkennung sind wir relativ schnell am Ende, aber mit Aufzeigen von Fehlern, Beispielen für persönliche Schwächen, bis hin zum Lästern, können wir Stunden zubringen und uns gegenseitig anstecken, uns hineinsteigern. Wie schnell bleibt da die Wahrheit auf der Strecke. Hier eine kleine Übertreibung, dort eine Beobachtung in einem falschen Zusammenhang oder eine blosse Vermutung als Tatsache in den Raum gestellt. Die Zunge ist so schnell und das schlechte Gewissen so träge.
Unser Grundmotiv ist klar. Wir reden und richten, wir stellen uns selbst über den anderen. Wir polieren unser Selbstwertgefühl auf Kosten unseres Nächsten auf.
Gute Absicht betonen
Es tut uns gut, das Gebot vor Augen zu haben. Nehmen wir unser Gegenüber wirklich wahr, die schlechten und die guten Seiten? Wenn wir übereinander reden, vergessen wir nicht die gute Absicht zu betonen, die hinter dem Missgeschick lag und das ohne den Unterton der Schadenfreude.
Werden wir wahrhaftig Zeuge von gemeinsam Erlebtem. Nur so lassen wir unserem Mitmenschen den ihm von Gott gegebenen Wert. Durch abwertendes, unwahres und übertriebenes Reden machen wir den anderen klein. Letztendlich entehren wir damit nicht nur das Geschöpf, sondern auch den Schöpfer. Gut, dass Gott uns auf diese tägliche Falle hinweist.
Das zehnte Gebot
Das zehnte Gebot lautet:
«Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Frau, Knecht, Magd…»
Werbung weckt Begierde. Uns wird vorgegaukelt, dass alles für jeden leicht verfügbar sei. Es verführt zum Vergleichen, und wenn ich dabei schlecht abschneide, werden auch Neid und Eifersucht entwickelt. Ohne echte Not und ohne klare innere Grenzen wird aus dem Haben können ein Haben-wollen und ein Haben-müssen, das Begehren mutiert unversehens zur zerstörerischen, schwer kontrollierbaren Gier, die auch vor der Frau des Nächsten nicht haltmacht.
Nach den Prinzipien einer
Leistungsgesellschaft soll uns Zufriedenheit mit aller Macht ausgeredet
werden, da sie Leistung und Kaufkraft einschränken könnte. All unsere
Errungenschaften sollen uns nur noch anspruchsvoller machen. Ist dann
nicht die Aufforderung «Du sollst nicht begehren…» wie von einer
anderen Welt und völlig undurchführbar?
Sinnvolle Grenzen
Es ist heute Mode, Grenzen zu hinterfragen, wenn sie dem persönlichen Glück im Wege zu stehen scheinen. Wie beim Sündenfall werden für einen kurzfristigen Lustgewinn langfristige schwere Probleme in Kauf genommen. Machtgier, Geldgier und sexuelle Gier führen immer zur Zerstörung von Menschen und Beziehungen, zu Überschuldung, zu Missbrauch, Misstrauen und Betrug; sie zerstören Vertrauen und Glaube. Und genau darum gibt uns Gott dieses Gebot als sinnvolle Grenze.
Wir können oft nicht verhindern, dass falsches Begehren geweckt wird, aber es gibt einige wirksame Massnahmen, um es im Zaum zu halten.
Gegen den Wahnsinn wehren
Da wir nicht glücklich sein können, wenn wir nicht auch mal zufrieden sind, wollen wir uns gegen diesen ganz normalen Wahnsinn wehren. So haben wir das Begehren tüchtig satt, das uns zu Konkurrenten macht und es dämmert uns längst: Das Haus des anderen mag zwar grösser und luxuriöser in der Landschaft stehen. Doch wir können uns nicht sicher sein, ob man sich darin wirklich wohler fühlt, oder ob es einem letztlich nicht auch zur Last werden könnte.
Fünf Schritte
Fünf Schritte helfen, aus diesem Strudel des Begehrens herauszufinden:
– Wer zufrieden sein will, muss sich dafür entscheiden. Wenn Sie sich etwas anschaffen, können Sie sich vornehmen, es nicht gleich mit noch besseren Modellen zu vergleichen.
– Gehen Sie mal durch Ihr Zuhause und lassen Sie Ihren Blick über die Einrichtungsgegenstände schweifen. Überlegen Sie, wie Sie zu den einzelnen Stücken gekommen sind, und danken Sie Gott dafür!
– Bei begehrlichen Gedanken prüfen Sie Ihre Motivation: Warum schiele ich der Sache oder Person nach? – Ist Neid, Lust oder Statusdenken die Wurzel meines Begehrens?
– Lassen Sie Zeit verstreichen, bevor Sie handeln. Oft verliert dadurch ein begehrtes Objekt seinen Reiz.
– In der Bibel in Hiob Kapitel 31, Vers 1 heisst es: «Ich habe einen Bund mit meinen Augen geschlossen, damit ich nicht lüstern nach einer Jungfrau blicke.» Solch ein Vertrag mit sich selbst setzt klare Grenzen und ist ein guter Schutz vor gedanklichen Übergriffen.