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Die Furcht des Herrn ist eine der wichtigsten Haltungen, die uns die Schrift lehrt. Im Alten Testament sehen wir, daß sie „der Erkenntnis Anfang“ ist (Sprüche 1:7), sowie auch der Anfang der eigentlichen Anwendung der Erkenntnis, nämlich der „Weisheit“ (Sprüche 9:10); ja,
in Hiob 28:28 heißt es sogar, daß die Furcht des Herrn Weisheit selbst ist. Im Neuen Testament wird Christen das besondere Gebot gegeben: „Fürchtet Gott“ (1. Petrus 2:17). Warum wird der Gehorsam diesem außerordentlich wichtigen Grundsatz gegenüber bei uns so wenig betont? Vielleicht weil wir Furcht mit Unsicherheit in Verbindung bringen und dann rasch zu einem anderen Thema übergehen.

Die Furcht des Herrn bewirkt ein Gefühl der Sicherheit

Die Furcht des Herrn erzeugt keineswegs Unsicherheit! Im Gegenteil, wenn sie wirklich praktiziert wird, hat sie Freiheit von Angst und eine große innere Ruhe zur Folge. Gottesfurcht macht uns frei von Menschenfurcht; wer Gott fürchtet, braucht sonst nichts zu fürchten. Gott möchte, daß wir uns in Ihm in Sicherheit wissen; deshalb inspirierte Er auch Salomo, in Sprüche 14:26 zu schreiben: „In der Furcht des Herrn ist ein starkes Vertrauen, und seine Kinder haben eine Zuflucht.“ Klingt das nicht paradox – wie kann „Furcht“ ein „starkes Vertrauen“ hervorrufen?

Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn wir uns klarmachen, daß das Wort „Furcht“ hier den Sinn von heiliger Scheu oder Ehrfurcht hat, die uns Gottes absolute Größe und Allmacht empfinden läßt, aber auch unsere eigene Winzigkeit. Wenn wir diese Furcht haben, wenn wir glauben, daß es nichts gibt, was Gott nicht zu tun vermag, wenn wir glauben, daß Er alle unsere Probleme lösen kann, wenn wir glauben, daß Er uns Kraft und Gnade geben kann, um mit allen Dingen fertig zu werden, dann werden wir in Ihm eine feste und sichere Zufluchtsstätte haben und das starke Vertrauen, das nötig ist, um allem, was sich an Schwierigkeiten auftut, begegnen zu können. Wir werden dann als geliebte Kinder auf die unbegrenzte Macht und Herzensgüte unseres himmlischen Vaters vertrauen. Leider haben wir oft mit Angst und Unsicherheit zu tun. Warum?

Wir fürchten Gott nicht; wir glauben dem Herrn Jesus nicht, wenn Er sagt, daß bei Gott alle Dinge möglich sind (Mt 19:26). Wir glauben zum Beispiel nicht, was der Herr Jesus glaubte, nämlich daß Gott notfalls aus Steinen Kinder zu erwecken vermag (Lk 3:8)! Durch unseren Unglauben und unseren Mangel an Gottesfurcht verlieren wir das Vertrauen, das Er so gern bei uns sehen möchte.

Zu unserer Gottesfurcht gehört eigentlich auch ein Gefühl der Bewunderung und des Staunens darüber, daß der allmächtige Gott, der Schöpfer des Universums, sich nicht nur ganz aktiv mit dem unendlichen Großen befaßt, sondern auch mit dem unendlichen Kleinen, mit den lästigen Einzelheiten unseres täglichen Lebens. Der Herr Jesus lehrt uns diese Wahrheit, wenn Er uns sagt, daß Gott vom Tod jedes Sperlings Kenntnis nimmt und daß sogar die Haare unseres Hauptes alle gezählt sind (Mt 10,29.30). Versäumen wir es, mit Gottes Interesse und Anteilnahme an den allergeringfügigsten Dingen zu rechnen, so versuchen wir eben in unserer eigenen Kraft, mit den Dingen fertig zu werden, mit der Verkehrsstauung z. B., oder mit der Milch, die übergelaufen ist, oder mit dem Murks, mit dem der Handwerker uns nach seiner Reparatur sitzen läßt, usw. Das bringt uns dann Spannungen und Enttäuschungen.

Oft also ist unser Mangel an Glaube die Ursache dafür, daß es uns an Gottesfurcht fehlt, aber es kann auch an einer zu einseitigen Belehrung liegen. Wir sollten nie lehren, dass Gott heute keine Wunder mehr tut, denn das führt ganz unbewußt dazu, dass wir Gott in unserem Denken begrenzen, dass es uns an Glauben fehlt und dass wir deshalb Gott nicht um das bitten, was Er so gern tun möchte. Wir sollten eine Wahrheit nicht unterbetonen, weil andere sie überbetonen; beides führt zu Verzerrungen. Laßt uns stattdessen einander ermahnen, Gott zu fürchten.

Die Furcht des Herrn bewirkt Heiligkeit

Die Furcht des Herrn soll bei uns Heiligkeit hervorbringen. Wir lesen in 2. Kor 6:18 und Kor 7:1: „Ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige. Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so laßt uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes.“ „Durch die Furcht des Herrn weicht man vom Bösen“, heißt es in Sprüche 16:6. Wie haben wir das Wort Furcht in diesem Zusammenhang zu verstehen?

Die Antwort ist einfach, wenn wir uns klarmachen, daß Gott hier als unser Vater und wir als Seine Söhne und Töchter betrachtet werden. Wir denken dann an Gott als einen vollkommenen Vater, der weise und gütig ist und der jeden von uns zu sehr liebt, als daß Er uns ohne Zucht aufwachsen läßt. Unseren himmlischen Vater zu fürchten, bedeutet also auch, daß wir Respekt vor Ihm haben und genau wissen, daß Er uns Zucht nicht ersparen kann, wenn wir Böses tun. Diese Furcht veranlaßt uns, vom Bösen zu weichen.

Als wir Kinder waren und andere uns zu etwas verleiten wollten, wovon wir wußten, daß es gegen den Willen unserer Eltern war, haben wir dann nicht gesagt: „Wenn ich das tue, bekomme ich eine Tracht Prügel“ und hüteten uns deshalb vor dem Bösen? So sollte es auch mit unserem himmlischen Vater sein; wir sollten Ihn fürchten und vom Bösen weichen.

Furcht vor Gott und vor Seiner Zucht ist also Furcht in der landläufigen Bedeutung des Wortes, es schließt jedoch keinerlei Unsicherheit in sich. Im Gegenteil, die Erfahrung, daß Gott uns züchtigt, macht uns nur noch gewisser, daß wir Seine Kinder sind, daß wir Ihm lieb und wert sind und daß es Sein Ziel ist, uns zu segnen, damit wir Seiner Heiligkeit teilhaftig werden (Heb 12:5-10).

Psychologen sagen uns, daß die Unsicherheit vieler Jugendlicher heute daher rührt, daß ihre Eltern es versäumt haben, sie in vernünftiger Weise zu züchtigen und zu strafen. Nicht alle Züchtigung ist als Strafe für Übertretung zu betrachten, weil wir manchmal irren, indem wir Gottes Willen nicht erkannt haben oder es nicht verstanden haben, unsere Erkenntnisse auf die besondere Situation anzuwenden; dann soll die Korrektur des Herrn dazu dienen, daß wir „die Heiligkeit vollenden“. Wenn Er uns züchtigt, brauchen wir uns nicht vor Grausamkeit oder übermäßiger Strafe zu fürchten, denn Sein Wort versichert uns, daß Er, wenn Er betrübt hat, sich erbarmt „nach der Menge seiner Gütigkeiten. Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschenkinder“
(Klgl 3:32.33).

Wir sollten als Christen beständig damit rechnen, daß Er – anders als unsere natürlichen Eltern – in unserem Leben alles sieht: „Die Augen des Herrn sind an jedem Orte, schauen aus auf Böse und auf Gute“ (Sprüche 15:3). Die Zucht ist uns ebenso gewiß wie unsere Errettung. (Heb 12:6.7). Wie töricht wäre es, wenn wir unsere Sicherheit als Seine Söhne und Töchter verwechseln würden mit einem Freisein von Furcht vor Seiner Zucht!

Lehrt man die Sicherheit des Gläubigen, ohne die Furcht des Herrn entsprechend zu betonen, so kann das ernste Folgen haben. Als junger Christ fürchtete ich den Herrn nicht; als ich dann in Sünde gröbster Art verwickelt zu werden drohte, war ich meiner Errettung weiter gewiß, aber ich war auch nahezu blind dafür, wie unvermeidlich ich mir Gottes Zucht zuzog. Natürlich wußte ich, daß ich mich in ganz böse Dinge nicht einlassen konnte, und die Verantwortung für alles lag völlig bei mir. Diese Erfahrung hat mir enorm die Augen geöffnet für die „Furcht des Herrn“ als Abschreckungsmittel gegen das Böse. Ich möchte wünschen, daß der Leser diese Furcht des Herrn durch die Unterweisung empfängt, und nicht erst durch sehr bittere Erfahrungen.

Die Furcht des Herrn ist nötig für den Dienst

Die Furcht des Herrn sollte uns kennzeichnen, wenn wir Ihm in der rechten Weise dienen wollen. Wir werden ermahnt: „Deshalb … laßt uns Gnade haben, durch welche wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht. Denn auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“
(Heb 12:28. 29). Um treue Diener zu sein, müssen wir daran denken, daß wir Sein Werk sind, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, auf daß wir in ihnen wandeln sollen (Eph 2:10).

Wie haben wir das Wort Furcht in diesem Zusammenhang zu verstehen? Wir sehen uns hier als Arbeiter, als Angestellte, und wir dienen Gott gleichsam als unserem Arbeitgeber und Dienstherrn. Bei einem irdischen Arbeitgeber zeigen wir unsere Ehrerbietung darin, daß wir unser Aufgabengebiet ohne Murren akzeptieren, daß wir überzeugt sind, daß seine Pläne erstklassig sind und daß wir seine Entscheidungen in jeder Hinsicht billigen. Wenn wir nun daran denken, daß wir im Dienst eines heiligen und gerechten Gottes stehen, wieviel mehr sollten wir uns dann davor fürchten, die Verantwortlichkeiten und Aufgaben, die Er uns zugedacht hat, nicht ernst zu nehmen, und das ganz besonders, wenn wir wissen, daß unser ganzer Dienst der Prüfung durch das verzehrende Feuer Seines Gerichts unterzogen werden wird.

Als Angestellte würden wir zu Recht den Tadel eines vernünftigen und gerechten Chefs fürchten, wenn wir beispielsweise den ganzen Tag nur herumsitzen würden, statt unsere Arbeit zu tun, oder wenn wir die Arbeit träge, gleichgültig oder schlampig verrichten würden. Auch einen Vorwurf wegen mangelnder Initiative hätten wir zu fürchten, wenn wir uns gar nicht darum kümmern würden, was der Wille unseres Vorgesetzten ist in den Dingen, die wir zu tun haben (dem entspricht, daß wir die Heilige Schrift unter Gebet zu studieren haben), oder wenn wir einfach etwas in Angriff nehmen würden, ohne einen Auftrag dazu empfangen zu haben.

Immer nur fragen, was des Herrn Wille ist, ohne ihn dann auch zu tun, ist wenig wert. Was nützt ein Angestellter, der seine ganze Zeit damit zubringt, die Direktiven zu lesen, Notizen zu studieren und sich zu erkundigen, inwieweit die Anweisungen des Chefs von anderen ausgeführt werden, wenn er selbst nie etwas tut?

Wir sollten wachsam sein gegenüber der Gefahr, die Bibel zu studieren, gute Schriften zu lesen, aber nur als intellektuelle Übung. Jedenfalls sollten wir gerechten Tadel von Gottes Seite doch genauso fürchten wie von seilen eines irdischen Vorgesetzten. Gott hat uns gewisse Verantwortlichkeiten und Aufgaben anvertraut, und jeder von uns sollte seine eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern bewirken (Phil 2:12). Die Tatsache, daß wir gleichsam Söhne des Chefs sind, sollte unsere Furcht vor seinem Missfallen nicht vermindern, sondern es sollte unsere Freude, treu für Ihn zu arbeiten, vermehren.

Als Knechte des Herrn sollten wir auch daran denken, daß die Furcht des Herrn ein wichtiger Bestandteil der Errettung selbst ist. Sprüche 14:27 sagt: „Die Furcht des Herrn ist ein Born des Lebens, um zu entgehen den Fallstricken des Todes.“ Wir, die wir vom zweiten Tod errettet worden sind, kennen die Liebe, die Gnade und die Barmherzigkeit Gottes, aber wir wissen auch, daß Gott als der gerechte Richter Seinen Zorn über die Gottlosen ausgießen wird.

Dieses Bewußtsein sollte bei uns mehr auslösen, als daß wir beim Brotbrechen unserem Heiland den Dank für die Errettung vor dem kommenden Zorn aussprechen. Es sollte bei uns die gleiche Wirkung haben wie bei dem Apostel Paulus, der sagte: „Da wir nun den Schrecken des Herrn kennen, überreden wir die Menschen“ (oder: „Da wir wissen, wie sehr der Herr zu fürchten ist, suchen wir Menschen zu überzeugen“;
2. Kor 5:11). Ganz gewiß ist etwas nicht in Ordnung bei uns, wenn wir unsere Nächsten nicht lieben und nicht versuchen, sie vor dem kommenden Zorn zu warnen. Es ist unsere heilige Pflicht, Gott als einen Gott der Liebe und als einen Gott des Gerichts Menschen zu bezeugen und darzustellen.

Als Diener Gottes sollten wir nie vergessen, daß sowohl Versammlungen als auch Individuen „entlassen“ werden können! Wissen wir nicht von Versammlungen, die es versäumt haben, „die ersten Werke“ zu tun, wo Gott dann deshalb den Leuchter aus seiner Stelle wegrücken mußte, wie Er die Epheser in Offenbarung 2:5 warnte? Paulus als Individuum brachte seine Gottesfurcht zum Ausdruck, wenn er sagt: „Ich zerschlage meinen Leib und führe ihn in Knechtschaft, auf daß ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, selbst verwerflich werde“ (1. Kor 9:27). Wenn jemand als Angestellter von seinem Vater fristlos entlassen wird, hört er nicht auf, Sohn zu sein, aber er hat nicht länger Gemeinschaft mit seinem Vater in seinen geschäftlichen Dingen und er kann keine Belohnung für seinen Dienst erwarten. Gewiß sollten wir solche Verluste fürchten, denn sie haben eine Auswirkung auf unser Leben in der Ewigkeit.

Die Furcht vor Versagen sollte uns nie zur Untätigkeit veranlassen. Gott läßt uns sagen: „Wie ein Vater sich über die Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, welche ihn fürchten. Denn er kennt unser Gebilde, ist eingedenk, daß wir Staub sind“ (Ps 103:13.14). Möchten wir Seinen Willen zu erkennen suchen und ihn tun. Wenn wir Seinen Willen recht verstehen, wird Er uns reichlich belohnen, und wenn wir ihn schlecht verstehen, wird Er uns in gnädiger Weise über das belehren, was wir wissen müssen, so daß wir und andere reichlichen Segen empfangen können. Wir sollten nicht jenem bösen und faulen Knecht gleichen, der sagte: „Ich fürchtete mich und ging hin und verbarg dein Talent in der Erde“ (Mt 25:25). Wer Gott kennt, wird Ihn nie in dieser Weise fürchten, sondern wird das Talent, das der Herr ihm anvertraut hat, nehmen und es „mit Frömmigkeit und Furcht“ benutzen.

Laßt uns also einander helfen, den Herrn recht zu fürchten, denn in der Furcht des Herrn ist ein starkes Vertrauen, und Seine Kinder haben eine Zuflucht; Ihn zu fürchten, bewahrt uns vor den Schlingen des Bösen und zeigt uns den Weg, auf dem wir Ihm als gute und treue Knechte dienen können, so daß Er an jenem Tage zu jedem von uns sagen kann: „Gehe ein in die Freude deines Herrn!“

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